Clubhouse ist tot und was wir davon lernen können

Roger Basler de Roca
6 min readSep 10, 2021

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Photo by Dmitry Mashkin on Unsplash

Das soziale Netzwerk Clubhouse existierte bereits seit März 2020, doch erst im Februar 2021 nahm die App so richtig an Fahrt auf. Grund dafür war der Auftritt eines prominenten Gastes in einem sogenannten Conversation Room — Elon Musk. Inzwischen verzeichnet die App bereits über 2 Millionen User und gilt als Unicorn Startup, so wie einst AirBnB und Uber. Diese Woche häufen sich die Berichte, dass eigentlich niemand mehr die App nutzt — was ist passiert?

Was war die Absicht von Clubhouse?

Clubhouse ist eine audio-basierte Social Media App mit Fokus auf Gespräche, was bedeutet, dass User Gesprächen, Interviews und Diskussionen über diverse Themen von verschiedenen spannenden Persönlichkeiten in diversen Kanälen zuhören können. Vorstellen kann man es sich wie einen Live-Podcast, nur mit sehr exklusivem Zugang und ohne Aufzeichnung. Diese Exklusivität wurde ausserdem sichergestellt durch die Art, wie man für die Benutzung der App zugelassen wird — nämlich nur mit Einladung.

Die Social Media Conversation Plattform versuchte mit dem Invite-Only, Audio-Only und Anfangs auch nur iOS only einen gewissen Hype zu pushen.

Learning Nummer 1: wer zu sehr auf exklusive Modelle setzt, zieht auch solche Leute an und schliesst andere aus

Das invite-only-System bedeutete demnach, dass man die (iOS-)App nicht einfach herunterladen und so einen Account erstellen kann. Um dem sozialen Netzwerk Clubhouse beitreten zu können, musste man von einem bestehenden Mitglied der App eingeladen werden. Eigentlich wie in einem elitären Yachtclub, nur eben virtuell. Clubhouse User konnten jedoch nicht beliebig viele Einladungen verschicken. Nur zwei bis 10 Einladungen pro User standen zur Verfügung, was bestimmt im Sinne der ErfinderInnen war, aber viele auch verärgerte.

Wie funktioniert Clubhouse?

Sobald man der App beigetreten ist, wurde man dazu aufgefordert, eine Auswahl an Themen zu selektieren, die einen interessieren. Die verfügbaren Themen reichen von Wirtschaft über Bücher und Gesundheit bis zu Tech. Je mehr Informationen man über seine Interessen preisgab, desto mehr sogenannte ‘Conversation Rooms’ wurden einem zum Abonnieren vorgeschlagen.

Exklusiv, Live, keine Aufzeichnung und das mit dem kombinierten Lock-In Effekt — der Versuch eine eingeschworene Community zu erhalten.

Einen Conversation Room kann man sich von der Infrastruktur wie eine reguläre Telefonkonferenz vorstellen, bei der manche Leute reden, der Grossteil der Teilnehmer jedoch nur zuhört. Sobald die Gespräche beendet sind, wird der Raum geschlossen. Gespeichert wurden die Conversation Rooms wie gesagt nicht.

Das führte dazu, dass viele Userinnen und User diesen Status etwas ad-Absurdum führten. Eine Art Members-Only Gedanke schwapte manchmal in den Gesprächen über, die Tonalität war zeitweilig zwischen enorm euphorisch positiv auch genauso geprägt von langen Monologen ohne viel Mehrwert.

Learning Nummer 2: Moderation will gelernt sein

Wie oben erwähnt bei Learning 1: neben dem zu grossen Exklusivitätsfaktor und dem Lock-In Effekt führte dies zuweilen auch zu seltsamen Raum-Klimata. Darum hier ein paar Inspirationen, sollte jemand mal einen Audio-Only-Event (oder Podcast) durchführen

Regeln vorab kommunizieren und aktuell halten

Als Moderator eines Raumes sollte man als erstes einige grundsätzliche Regeln kommunizieren, an die sich alle halten sollten. Am besten tut man das, indem man sich selbst, das Thema des Events und dann die Regeln vorstellt. Beispielsweise, dass man die Handhebe-Funktion nutzen soll, falls man sprechen möchte oder welche Aspekte man gerne besprechen möchte und wie lange das ganze dauert. Man kann auch eine Redezeit Empfehlung abgeben — im Sinne von “wir besprechen das 60 Minuten, beschränkt darum eure Redezeit auf maximal 2 Minuten da wir 40 Personen sind”.

Regelmässig einen Reset durchführen

Nach und nach werden mehr Leute dem Event beitreten. Deshalb ist es wichtig, einen Reset durchzuführen, sobald man sieht, dass die Anzahl Teilnehmer beträchtlich gestiegen ist. Das bedeutet, dass man sich und das Thema des Events nochmals vorstellt, einen kleinen Recap macht, sowie die Regeln erneut kommuniziert. Dadurch sind alle Teilnehmer auf dem gleichen Stand.

Co-Moderatorinnen und -Moderatoren hinzufügen

Nicht alleine zu moderieren hat mehrere Vorteile. So kann man beispielsweise die Moderation kurz verlassen, sollte man ein wichtiges Telefonat führen müssen oder falls ein anderes Problem auftritt. Moderiert man alleine, so wird das schwierig. Ausserdem wird der Event sofort beendet, falls man als Moderator den Raum (aus Versehen oder unfreiwillig) verlässt. Der Raum konnte danach nicht wieder aufgestartet werden. Mit einem weiteren Moderator passiert das jedoch nicht.

Die “Bühne managen”

Als Bühne, oder eben Stage, gilt der Teil eines Conversation Rooms, auf dem jene User sind, die sprechen. Als Moderator eines Raumes kann man bestimmen, wer auf dieser Bühne sein und dadurch auch sprechen darf.

Möchte ein User sprechen, so hebt diese Person (via einem Button) die Hand . Der Moderator erhält anschliessend eine Benachrichtigung und kann den jeweiligen User auf die Stage einladen, um ihm die Sprecherlaubnis zu erteilen. Klickt man auf das Profil der Person, die sprechen möchte, sieht man wer sie ist und was sie macht. So kann man besser entscheiden, ob man ihr die Sprecherlaubnis erteilen möchte.

Als Moderatorin und Moderator sollte man die Kontrolle über das Gespräch behalten. Wird eine Frage gestellt, so macht es manchmal Sinn, einen bestimmten Speaker dazu aufzufordern, die Frage zu beantworten.

Falls man bemerkt, dass der Dialog auf ein anderes Thema hinausläuft, sollte man als Managerin des Raumes die Sprecher wieder zum eigentlichen Thema des Events zurückführen. Meist reicht es, einen kleinen Reminder zu geben, um was es in diesem Conversation Room gehen soll.

Learning Nummer 3: Longform vs. Shortform Content

Wir sehen immer mehr den Unterschied von Kurzform zu Longform und dabei auch, dass Menschen mit der FOMO (Fear Of Missing Out) immer noch getriggerd werden können. Wie immer gilt: Natürlich bringt es am meisten, wenn man einfach sicherstellt, dass man mit den Beiträgen im Conversation Room einen Mehrwert für die Zuhörer bietet. Dadurch bleiben die User länger im selben Raum, was ja auch auf anderen Plattformen funktioniert. Die Frage ist, ob ein Modell mit “LIVE ONLY” wirklich langfristig funktioniert.

Learning Nummer 4: Audio-Only ist gekommen um zu bleiben

Wir konnten sehen: die Menschen haben ein Bedürfnis nach Audio-Only-Experience. Nur leider wurde dabei die Creator Economy etwas vergessen. Ein Live Only, ohne Wiederverwendung oder Verbreitung, zu exklusiv bringt leider den wenigsten etwas und damit stoppt man die Verbreitung bereits zu früh.

Und: Die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht: Stereo und Space: Nach Twitter arbeitet auch Facebook an einem Clubhouse-Klon

LinkedIn steht bereits in den Startlöchern mit einem Audio Format

Jetzt wo die Stories bei LinkedIn Geschichte sind, ist wohl Platz für das LinkedIn Audio Format: “Wir machen einige frühe Tests, um ein einzigartiges Audioerlebnis zu schaffen, das mit Ihrer beruflichen Identität verbunden ist”, sagte LinkedIn in einer Erklärung gegenüber TechCrunch bereits im März 2021. “Und wir prüfen, wie wir Audio in andere Bereiche von LinkedIn wie Events und Gruppen bringen können, um unseren Mitgliedern noch mehr Möglichkeiten zu geben, sich mit ihrer Community zu verbinden.”

Facebook hat Alternativen: Live Rooms

Die Facebook-Führung hatte eine Gruppe von Entwicklern angewiesen, eine App nach Vorbild von Clubhouse zu entwerfen und hat nun eigene Podcasts und Audio Rooms (US Only)

Stereo

Stereo ist eine Live-Broadcasting-App, die schon vor Clubhouse startete: User können die Plattform nach Gesprächen durchsuchen — wie bei Clubhouse. Nutzer haben ausserdem die Möglichkeiten neben dem lauschen via Instant-Sprachnachrichten sich einzubringen, teilzunehmen oder sogar zum Gastredner berufen zu werden — kommt einem also bekannt vor.

Twitter lancierte Spaces

Im Moment sind alle Spaces öffentlich, wie Tweets, was bedeutet, dass jeder auf sie zugreifen kann. Sie erscheinen automatisch oben in deiner Home-Timeline und jeder Space hat einen Link, der öffentlich geteilt werden kann. Da Spaces für jeden öffentlich zugänglich sind, kann es möglich sein, dass Leute einen Space anhören, ohne als Gast im Space gelistet zu sein.

Und dann gibt es noch die anderen wie Marc Cuban und Slack — und was lernst Du daraus?

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Roger Basler de Roca
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Written by Roger Basler de Roca

Over 25 years of experience in IT and AI, runs an AI consultancy, gives 100 talks/year, speaks 6 languages, currently doing a PhD.

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